Wie mache ich mir das Leben schwer? Wie mache ich mich unglücklich?


oder Anleitung zum Unglücklichsein“ revisited

Paul Watzlawick schildert in seinem Buch mit o.g. Titel humorvoll und eindrücklich, wie Menschen es schaffen, sich selber unglücklich zu machen. Fragt man einen Unglücklichen, ob er diesen Zustand erwünscht und gewählt hat, wird er dies vehement von sich weisen. Das ist natürlich, logisch und (selbst)verständlich, sind es doch zutiefst unbewusste, neuronale Verknüpfungsmuster, die ihn immer wieder in ähnliche Zustände verstricken.

Wie kommen wir nun dazu, Muster zu entwickeln, die uns unglücklich machen  – die uns ständig daran hindern, das zu bekommen, was wir im Grunde ersehnen?

Neuronale Musterbildung / kognitive Schonhaltung

Unser Gehirn muss Komplexität reduzieren, d.h. Muster ausbilden, damit wir in dieser Welt klar kommen. Musterbildung und deren Verlagerung ins Unterbewußtsein, wo sie automatisiert ablaufen können, ist also Teil seiner Aufgabe. Dies gilt für physische und psychische Prozesse gleichermaßen, und es kann für unsere Entwicklung grundsätzlich förderlich sein (wenn es mit unseren seelischen Bedürfnissen übereinstimmt), aber auch hinderlich und einschränkend, nämlich dann, wenn es aufgrund wiederholter Verletzungen als Vermeidungsstrategie ausgebildet wurde. Letzteres bezeichnen wir als „kognitive Schonhaltung“ (s. Weil (2010a), S. 168). Um den seelischen Schmerz, den z.B. eine Abwertung wie“ die Botschaft „du bist zu dumm – zu langsam – zu hässlich“ erträglich zu machen, übernehme ich das Urteil und verhalte mich entsprechend – dann tut die Bestätigung nicht jedesmal so weh. Der preis dafür ist die Einschränkung meiner Entfaltungsmöglichkeiten, bzw. werde ich unglücklich.

Guselphantasien (ebd., S. 171)

stellen eine der wirksamsten Möglichkeiten dar, uns das Leben schwer zu machen. Sie sind gewissermaßen die perfide Weiterentwicklung der kognitiven Schonhaltung. Auch sie sind Gedankenmuster, entstanden auf der Basis realer Erlebnisse und dienen der Vermeidung durch Vorwegnahme. Indem ich mir den „worst case“ ausmale, kann ich mich wappnen und bin dem Geschehen scheinbar nicht mehr ganz so hilflos ausgeliefert  Der Preis dafür ist a) die massive Einschränkung meiner Lebensqualität: ich erlebe alle Auswirkungen einer Traumatisierung körperlich, als sei sie real, mit Angst, hoher Erregung, gleichzeitiger Lähmung etc, und b) die Einschränkung meiner Lebens- und Entfaltungsmöglichkeiten durch den Versuch, das Unglück auf jeden Fall zu vermeiden: nicht mehr Autofahren, mich nie mehr verlieben, etwas aus Angst, zu versagen gar nicht erst auszuproben etc. Unsere Vorstellungsfähigkeit ist enorm – sie kann die Katastrophe in uns erzeugen, auch wenn wir de facto im Moment vollkommen sicher sind.

Ein weiteres wirksames Instrument zum Erzeugen von Unglücklichsein sind die sog.

Superlativistischen Selbstansprüche (Weil, 2010b, S.54; s.a. Weil 2007).

Sie wurzeln in der Grundüberzeugung, dass ich nichts Wert bin, wenn ich nicht absolut perfekt bin. Wenn ich als Autor den Anspruch habe, ein bahnbrechendes psychologisches Werk  veröffentlichen zu müssen, weil weniger nichts wert ist, käme ein solcher Artikel niemals zustande (und das wäre doch ausgesprochen schade, nicht wahr?) Quelle dieser speziellen Gruselphantasie ist die sog. narzisstische  Selbstüberhöhung, entstanden durch massive Verletzung der natürlichen narzisstischen  Bedürfnisse des Kindes.

 

Watzlawick hat diese Aspekte in der Form nicht dargestellt. Dennoch können sie als theoretische Hintergrundfolie seines Werkes herangezogen werden:  die kognitive und neuronale Musterbildung, die – sinnstiftend aus einem lebensgeschichtlichen Zusammenhang entstanden – uns zu solchen Annahmen über uns selbst, über andere und über das Leben geführt hat. In der Sprache der Transaktionsanalyse:  die einschränkenden Grundüberzeugungen, die wir aus eigenen Verletzungen heraus als kognitive Schonhaltungen entwickelt haben.

Was tun?

Um eine nachhaltige Veränderung zum Positiven zu erreichen, müssen wir

  1. Das Ursprungstrauma behandeln, d.h. die Verletzung, die zur Bildung der einschränkenden Grundüberzeugung geführt hat
  2. Die belastenden Erfahrungen, die den Ängsten und Gruselphantasien zugrunde liegen und
  3. Die Gründe für die Bildung unangemessener , perfektionistischer Selbstansprüche und Größenvorstellungen, die in der Regel in der Erfahrung wurzeln, dass ich nur dann liebenswert oder in Ordnung war, wenn ich alles perfekt gemacht habe.

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Literatur:

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