Wie achtsam bist du mit dir? Achtest du beispielsweise auf genügend Abstand zu anderen? Ist das wirklich achtsam? Auf eine Art schon. Denn wir sollten uns in dieser Krise möglichst vor Infektionen schützen. Und der beste Schutz ist, wenn wir niemandem begegnen, denn wir wissen nicht, ob die virale Gefahr im anderen lauert. Aber wäre das achtsam? Wir würden unseren Infektionsschutz optimieren. Das ist alles. Wir wären aber unachtsam gegenüber all unseren Bedürfnissen und Notwendigkeiten. Wir brauchen menschliche Nähe, denn diese nährt uns. Sie sorgt für Wohlbefinden und stärkt das Immunsystem. Dann sitzen wir ja irgendwie in der Falle: Wenn wir nicht für ausreichende räumliche Distanz zu anderen sorgen, können wir uns infizieren; wenn wir nicht für genügend Nähe sorgen, verschlechtert sich der Zustand unseres Immunsystems, wir werden infektanfälliger und unser Wohlbefinden nimmt ab. Also sollten wir doch für mehr menschliche Nähe sorgen? So einfach kommen wir jedenfalls aus diesem Widerspruch nicht raus.
Zur Achtsamkeit in diesen Zeiten gehört für uns, dass wir diesen inneren Widerstreit, der auftreten muss, ernst nehmen. Wir brauchen für unseren Infektionsschutz räumlichen Abstand zu anderen. Wir brauchen aber keine soziale Distanz, nur die räumliche. Im Gegenteil, wir brauchen die soziale Nähe. Wir brauchen, dass jemand an uns denkt, mit uns mitfühlt, seine persönliche Nähe zum Ausdruck bringt. Das geht vielleicht nicht körperlich, bzw. ist es nicht wünschenswert wegen Infektionsschutz. Wenn wir aber nicht die menschliche Nähe haben, dann gehen wir sozial und psychisch ein, werden depressiv, schlafen schlecht, haben zu nichts mehr Lust. Das hat Auswirkungen auf unser gesamtes Hormonsystem und damit auch auf unser Immunsystem.
Als Menschen sind wir auf Beziehung hin angelegt. Wir sind Herdentiere, die nur durch die Sicherheit und den Halt im Rudel überlebensfähig sind. Deshalb brauchen wir den Kontakt zu anderen Menschen, denen wir uns zugehörig fühlen. Das stärkt uns auf der ganzen Linie, körperlich und seelisch. Deshalb brauchen wir die soziale Vergewisserung in diesen Tagen besonders und möglicherweise mehr davon als sonst. Denn wir leben in Zeiten großer Unsicherheit und brauchen unsere Lieben gefühlt bei uns, auch wenn sie räumlich fern sind.
Es geht also nur um räumliche Distanz, nicht um soziale oder psychische. Lasst genau das eure Nächsten wissen und vielleicht auch die, die ein bisschen weiter weg sind: dass du mit ihnen mitfühlst und an sie denkst.
Was uns ausserdem Sicherheit gibt, ist wenn wir anfangen unserem eigenen Gefühl zu vertrauen, den inneren Widerstreit nutzen uns eine eigene Meinung zu bilden, mit Menschen in Kontakt sind mit denen wir unsere Meinung und Einschätzung austauschen können und dadurch eine eigene Haltung finden, der wir vertrauen.
Das ist in der aktuellen Zeit sehr schwierig, da wir durch die äußeren Regelungen auf Abstand gehalten werden und in der Öffentlichkeit nur eine Stimme, nur eine Einschätzung der Situation sichtbar wird. Es kann sein, dass genau das uns sehr irritiert, weil wir innerlich vielleicht anders fühlen ….. was tun?
In sich selbst Halt und Sicherheit zu finden, die Kraft ausserhalb von Mainstream eigene Entscheidungen zu finden, das ist in diesen Tagen eine große Herausforderung und sie konfrontiert uns möglicherweise mit Urängsten, der Angst aus dem sicheren Netz herauszufallen, alleine zu sein, verlassen zu werden. Hier liegt auch die Chance für Heilung. Egal wo man in dieser Zeit steht, birgt sie wie immer für jeden eine Chance ein Stück tiefer in sich zu wachsen und vor allem für sich selbst stehen zu können.
Cornelia Fürstenberger
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