Konflikte durchziehen unser Leben: Im besten Falle dienen sie dazu, etwas zu korrigieren, was sich in seiner Wirkung als ungünstig oder falsch herausgestellt hat, ohne dass wir den Konflikt beabsichtigt haben müssen. Sie dienen unserem Lernen im Miteinander – im besten Falle.
Vorwürfe verhindern gemeinsames Wachstum
Wir sind aber nicht immer in der Lage, Korrekturen vorzunehmen, denn sobald unser Gegenüber uns mit einem Vorwurf begegnet oder uns gar eine Absicht unterstellt, ist es mit dem Frieden vorbei. Möglicherweise sinkt dann sogar die Bereitschaft, sich überhaupt noch mit dem vermeintlichen Verursacher des Konflikts zu beschäftigen. Denn in diesem Fall ist es vermeintlich eindeutig: “Der/die andere hat die Schuld.“ „Wenn er/sie das nicht einsieht, brauchen wir nicht weiter zu reden.“
Aufgrund dieser Verletzungen ist eine Beilegung des Konflikts dann nur noch schwer, vielleicht gar nicht mehr möglich. Die Chance, den Konflikt zu beiderseitigem Wachstum zu nutzen, ist vertan. Das Eskalations-Modell von Glasl (siehe Artikel zur Eskalation) zeigt uns an, ab wann ein Konflikt wahrscheinlich nicht mehr zu retten ist: Spätestens, wenn wechselseitiger Gesichtsverlust droht und die Konfliktparteien nur noch Verlierer sein können.
„Streit“-Paare in der Trennung
Dennoch ist es nicht nötig aufzugeben! Wenn wir mit eigenen Mitteln nicht mehr weiterkommen, sondern nur die Eskalationsspirale bedienen, brauchen wir für eine Nutzung des Konflikts in jedem Fall professionelle Hilfe. Je stärker die Eskalation, umso schwieriger ist der Konflikt zu nutzen. Das sehen wir bei Streitpaaren während oder nach einer Trennung oder beides. Jede noch so kleine Anerkenntnis, dass der/die andere doch etwas richtig gesehen hat, wird bereits als Niederlage angesehen. Deshalb kann der Konflikt nur weiter eskalieren oder bei hoher Hitze weiter existieren.
Das Paar lebte schon seit 3 Jahren in Trennung, die Scheidung war wirksam. Nun ging der Streit über das Umgangsrecht und den Unterhalt weiter. Aufgrund der Eskalation zwischen den geschiedenen Partnern, weigerten sich die Kinder, den Vater zu sehen. Entweder war es zu schmerzhaft für die Kinder, immer wieder weg zu müssen, oder es war zu anstrengend für die Kinder, den Konflikt zwischen den Eltern immer wieder am eigenen Leib zu spüren – insbesondere durch die hohe Anspannung, die es bei beiden Eltern gegeben hat.
Verschiedene Pädagogen haben in diesem Zusammenhang ungünstig agiert und damit die Situation zusätzlich angeheizt. Das Gericht konnte dem Vater das Umgangsrecht zusprechen, was aber keine Wirkung hatte aufgrund der Verweigerung der Kinder. Hier konnte dem Vater nur geraten werden, sein Umgangsrecht nicht weiter einzuklagen und auf Zeit zu setzen, bis die vormals stattgehabte Eskalation so weit verklungen war, dass die Kinder wieder mit ihm in Kontakt treten wollten. D.h. noch einer so langen und heftigen Eskalation im Streit der Eltern, konnte nur eine länger anhaltende De-Eskalation Wirkung zeigen.
Eskalation in Betrieben
Was für Streitpaare gilt, kann genauso benutzt werden in Eskalationssituationen in Betrieben. Der Vorteil in Betrieben ist in der Regel, dass die emotionale Beziehung nicht so tiefgehend ist. Meistens ist es möglich, mit den oben beschriebenen Mitteln wieder einen Dialog zu ermöglichen. Diese Zusammenhänge werden wir ggf. in einem weiteren Artikel betrachten.
Konfliktbewältigung – mit professioneller Hilfe
Alleine aus der Konfliktfalle herauszukommen, kann durchaus gelingen – doch manchmal scheint es sinnvoll, sich professionell begleiten zu lassen. Dabei geht es im wesentlichen um die folgenden Ansätze:
Verlangsamung des Konflikts
In anderen Fällen ist die Verlangsamung des Konflikts hilfreich, denn in einem schnellen Schlagabtausch können sich die Konfliktpartner nicht mehr gegenseitig zuhören: Kaum hat der andere angefangen zu sprechen, meint die andere schon zu wissen, , was er sagen will. Das machen Paare auch, wenn ein Therapeut dabei ist. Doch der Therapeut kann das leichter unterbrechen, als das die Beteiligten alleine können.
Lernen, einander wieder zuzuhören
ist ein weiterer zentraler Schritt in der Konfliktbewältigung nach Eskalation. Wie schon oben erwähnt, nimmt die Schnelligkeit im Schlagabtausch[i] stark zu und ein Verstehen des Gegenübers ist allein schon dadurch erschwert. Die wirksamste Übung hierbei ist es, beide Partner wiederholen zu lassen, was sie gehört haben und so lange korrigieren zu lassen, bis Gesagtes und Gehörtes übereinstimmen. Manchmal zeigen die Beteiligten ein großes Erstaunen darüber, was der andere tatsächlich gemeint hat, was er bisher immer anders verstanden hat. Indem wir nicht zuhören, bestätigen wir unsere Vorurteile über den anderen/die andere, denn diese haben keine Chance mehr durch die Realität korrigiert zu werden. Indem wir uns mit vorgefertigten Deutungsschablonen begegnen, unterbrechen wir auf vielfältige Weise den Dialog. Kohlrieser (1988) hat eine Fülle von unterschiedlichen Formen der Dialog-Unterbrechung analysiert. Dabei spielen die Bewertungen anderer und von mir selbst eine zentrale Rolle: Um mich stabil zu erhalten, nehme ich z.T. massive Abwertungen über mein Gegenüber vor, das dieser so nicht stehen lassen kann und dagegen reden muss.
Bewertungen und Unterstellungen erkennen
So ist es von zentraler Bedeutung, die vielen Bewertungen und Unterstellungen, die in diesem Rahmen benutzt werden, zu erkennen und als Unterbrechung des Dialogs zu markieren. In dem Maße, wie die Beteiligten für Bewertungen und Unterstellungen sensibilisiert werden, verändern sich die Dialoge allmählich.
Entkoppelungstechniken für einen konstruktiven Dialog
Nach langen Phasen von Eskalation gehen die Beteiligten schon mit entsprechender Anspannung in die nächste Begegnung – auch in der Therapie oder Beratung. Es hat sich als hilfreich erwiesen, die Beteiligten in Einzelsitzungen sich mit den hohen Anspannungen und Erregungen beschäftigen zu lassen und die subjektiv empfundenen Kränkungen zum Ausdruck bringen zu lassen und sie dann mit Entkoppelungstechniken zu behandeln mit dem Ziel, die Erregung, die durch Partner/Partnerin ausgelöst werden, schneller zu mäßigen. Dadurch kann dann leichter ein Raum mit mehr Begegnung in der nächsten Paarsitzung entstehen. Indem wir den inneren Druck bei den Beteiligten ermäßigen, können sie überhaupt erst in einen konstruktiven Dialog eintreten. Anfänglich entgleist der Dialog meist immer wieder, aber es gibt auch konstruktive Phasen, auf denen wir aufbauen können.
Abschließend möchte ich Mut machen!
Es ist möglich, Konflikte wirklich als Chance zu begreifen, in der jeder Beteiligte sich weiterentwickeln kann. Paare, die nicht hängen bleiben in Vorwürfen und Schuldzuweisungen, die sich selbst zu reflektieren vermögen, haben eine gute Chance – insbesondere als Eltern für ihre gemeinsamen Kinder – auf einer guten Ebene und mit wechselseitiger Wertschätzung einen Weg zu finden! Jeder für sich, aber auch bei gemeinsamen Aufgaben!
[i] Unsere Sprache gibt es genau wieder, dass Worte wie Waffen benutzt werden können. In so einem Fall geht es natürlich wieder ums gewinnen oder verlieren. In so einer Dynamik lässt sich in der Regel kein Konflikt lösen.