Noch einmal Umgang mit Verlust


Im letzten Beitrag habe ich mehr von der Seite der persönlichen Betroffenheit her geschrieben, jetzt möchte ich es mehr von der professionellen Seite her betrachten.

Grundsätzlich bleibe ich bei der Aussage, dass wir, wenn wir mit Verlust eines Menschen, einer Beziehung zu tun haben, keinem Plan folgen können und sollen. Die Gefühle sind wie sie sind. Wir können sie nur akzeptieren. Auch dann, wenn wir uns vom Verstand her sagen: „Das muss doch jetzt mal aufhören!“ Manchmal nerven uns unsere eigenen Gefühle und dennoch sind sie da und sind für die Verarbeitung wichtig.

Umgang mit „negativen“ Gefühlen

Im ROMPC können wir auf ein Ritual zurückgreifen: Wir massieren im Uhrzeigersinn die Zone unterhalb vom Schlüsselbein und oberhalb vom Herzen und sagen ein paar Mal – am besten laut – vor uns hin: „Ich liebe und akzeptiere mich voll und ganz, auch mit diesen Gefühlen von Traurigkeit (Wut, Verzweiflung …).“ Denn wenn wir auch noch dagegen arbeiten oder uns dafür abwerten, dass wir diese Gefühle haben, wird es nur schwieriger und die Gefühle nicht weniger. Im Gegenteil, wir kriegen neue dazu, die aus der Abwertung unserer Gefühle herrühren.

Gut meinende Mitmenschen geben uns gelegentlich den Rat, diese Gefühle nicht zuzulassen, weil das besser für uns sei. Psychotherapeutisch kommt das einem Verdrängen gleich. Wenn das gelingen würde, wäre dagegen ja nichts zu sagen, aber meistens gelingt es nicht: Die verdrängten Gefühle setzen sich oft hinterrücks, in Momenten, in denen unsere Aufmerksamkeitsspanne erniedrigt ist, durch und sind unvermutet wieder an der Oberfläche des Fühlens und Handelns.

Gefühle und deren Vermeidung

Wenn wir in Psychotherapie oder Beratung oder Coaching Menschen begleiten, die einen Verlust erlebt haben, ist es sinnvoll, immer wieder zu überprüfen, ob Gefühle, die nicht oder wenig vorkommen, etwas mehr in den Fokus genommen werden sollten vor allem dann, wenn wir den Eindruck haben, dass zwar Ereignisse, die einen berechtigt wütend machen könnten, doch wieder mit Traurigkeit beantwortet werden statt mit Wut. Es könnte nämlich in diesen Fällen eine Vermeidung einzelner Gefühle vorliegen. Das gilt aber auch bei allen Gefühlen, also wenn die Wut ständig im Vordergrund steht, wo ist dann die Traurigkeit.

Bei all dem darf aber kein Druck ausgeübt werden, das nehmen die Betroffenen meist schon selbst vor. Es geht hier nur um Überprüfung oder Hinweise. Diese können der Verarbeitung weiterhelfen. Wir können auch überprüfen, ob es lebensgeschichtliche Belastungen gibt, die eine Verarbeitung des Verlusts erschweren.

Fallbeispiel: Unterdrückte Gefühle nach Trennung

„Eine Frau hielt sehr lange an der Wut auf den Partner fest, der sich von ihr getrennt hatte und mit ihrer besten Freundin ein Verhältnis begonnen und sie für diese Freundin verlassen hatte. Die Wut war nur zu verständlich. Fragen nach dem, was in der Beziehung zu ihrem Mann gut gewesen war, beantwortete sie mit abfälligen Bemerkungen. Sie musste sich quasi schützen vor den weicheren Gefühlen, die unter der Oberfläche schlummerten. Die Wut half ihr, sich aufrecht und stark zu fühlen. Erst als die Scheidung ein Stück weit fortgeschritten war, tauchten die sehnsüchtigen Gefühle nach dem, was es Gutes gegeben hatte, wieder auf, konnte sie sich diese vergegenwärtigen. Sie war in der äußeren (gerichtlichen) Verarbeitung der Beziehung so weit gediehen, dass sie sich ihrer eigenen Verletzlichkeit wieder zuwenden konnte, so dass dann auch die Liebesgefühle, die ursprünglich dagewesen waren, wieder den ihnen angemessenen Platz erhalten konnten.“

Gefühle – Ausdruck der Liebe

Ich habe in meinem letzten Beitrag geschrieben, dass die Gefühle – egal wie sie ausschauen – immer auch ein Ausdruck der Verbindung und der Liebe zu dem verlorenen Menschen darstellen – egal, ob der Verlust durch Trennung oder durch Tod entstanden ist. D.h. wir tun uns Gutes, wenn wir der Anerkennung der Liebe einen entsprechenden Platz einräumen, ohne dabei all die anderen Gefühle zu leugnen.

Gerade bei Scheidungen, die sich über Jahrzehnte hinziehen, wird durch die Fortsetzung der Auseinandersetzung vor Gericht, die Beziehung am Leben gehalten – allerdings in belastender Form für alle Seiten. Natürlich geht es darum, klare Grenzen zu formulieren und zu halten, aber wenn ich das in Anerkennung der Liebe tue, die es einmal gegeben hat, findet sich wahrscheinlich leichter ein Weg in die Unabhängigkeit voneinander.

Innerer Friede erleichtert!

Wenn es um Verlust durch Tod geht, ist es hilfreich, die Verbindung zur verstorbenen Person lebendig zu halten, denn diese Person hat uns mehr oder weniger lang innerlich bewegt – auch wenn der Tod eine Erlösung aus schwerer Krankheit darstellte. Am Ende geht es immer um den eigenen inneren Frieden der lieben Menschen, die weiterleben und die aus diesem inneren Frieden heraus ihr Leben leichter gestalten können.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*