Konflikte Teil 1 – Vermeidungsstrategien


Konflikte durchziehen unser Leben. Anhand von Konflikten lernen wir. Seien es äußere oder innere Konflikte. Manche erreichen nie die Schwelle des Sichtbaren, des unmittelbar Sichtbaren, sondern bleiben verborgen im Inneren und brechen sich vielleicht Bahn in Form von psychosomatischen Störungen aller Art. Und manche trage ich nur mit mir selbst aus. In lockerer Reihenfolge werde ich zu diesen Themen Artikel veröffentlichen mit dem Ziel aufzuzeigen, wie wir zu Lösungen, Veränderungen kommen können und was uns das kostet. Die Nicht-Lösung hat auch ihren Preis. Damit will ich mich heute beschäftigen.

Wenn wir Konflikte zu vermeiden suchen, müssen wir uns mit ihnen beschäftigen, weil auch die Vermeidung eine Aktion von uns braucht. Die häufigsten dieser Aktionen[i] sind die folgenden:

  • Wegschauen
    Ich muss aktiv den Blick dorthin vermeiden

Wahrnehmungsfehler in diesem Sinne sind bekannt: Wenn nicht sein kann, was nicht sein darf, wird das aus der Wahrnehmung ausgeschlossen. Es ist wie ein blinder Fleck, der mit anderen Daten überschrieben wird. Unser Gehirn konstruiert sowieso unsere Wahrnehmungsbilder. Die Daten von der Netzhaut werden interpretiert, fehlende Information hochgerechnet.

In diesem einfachen Beispiel [ii] sehen Sie vermutlich bei beiden Flächen eine Art Trapez. Das hängt mit unserem perspektivischen Blick zusammen und der Verknüpfung mit den senkrechten Linien, die uns die Objekte sofort als Tische erscheinen lassen. Beim Nachmessen ist klar, dass bei großen Flächen Rechtecke sind. Diese Fähigkeit der Umdeutung durch unser Wahrnehmungssystem machen wir uns beim Wegschauen zunutze. D.h. hier ist dann jedes Mal eine Rechenkapazität unseres Gehirns nötig, damit das Wegschauen auch gelingt. Dieser Vorgang ist weitgehend automatisiert und entzieht sich so der bewussten Wahrnehmung. Wenn Angehörige von Missbrauchs-Opfern nichts gesehen haben wollen, dann ist das häufig auf diesen Mechanismus zurückzuführen.

  • Wegdefinieren
    Hier denken wir beispielsweise: 
    • Wir brauchen keine Konflikte
    • Das lohnt sich doch gar nicht, dafür Energie aufzuwenden, bzw. den Energie-Einsatz für Konflikte zu hoch halten
    • Wir verstehen uns blind

Die interessanteste Variante habe ich in einem Unternehmen erlebt: Als ich u.a. erwähnte bei der Aufzählung meiner Einsatzbereiche als Coach, dass ich Konfliktmanagement[iii] anbiete, erhielt ich die Antwort: „Wir haben keine Konflikte, wir sind ein amerikanisches Unternehmen.“ Als ich dann wirklich für das Unternehmen gearbeitet habe, habe ich miterlebt, wie heftig hinter den Kulissen gekämpft wurde gegeneinander. Ich hätte das „Konflikt“ genannt.

Dies ist eine weitere Variante von Ausblenden allerdings in der bewussten Form, indem die Definitionen anders gesetzt werden. In dem o.g. Unternehmen durfte es keine Konflikte geben, so wurde das, was wir Konflikte nennen würden, zum normalen Alltag. Niemand durfte sich darüber beschweren, obwohl jeder einzelne darunter gelitten hat.

Den Energie-Aufwand für die Bewältigung von Konflikten sehr hoch ansetzen, ist noch eine besondere Variante: Entweder glaube ich, die Kraft nicht zu haben, um den Konflikt zu bestehen, oder ich habe kein Vertrauen darin, dass der Konflikt für die Beteiligten gut ausgehen könnte, oder ich glaube, von vornherein unterlegen zu sein.

Sie können schon sehen, dass hier in allen Fällen viel Energie verausgabt werden muss für die dahinterliegende Denk- und Fühlleistung.

  • Ängstlich Ausweichen
    Diese Bewegung entsteht aus der Angst,
    • unterlegen zu sein,
    • zu aggressiv zu sein und so unangemessen zu reagieren
    • das Gesicht zu verlieren
    • Freundschaft, Zuwendung, Anerkennung zu verlieren

Die Angst spielt bei der Konfliktvermeidung immer mit. Sie ist nur unterschiedlich stark ausgeprägt bzw. spürbar. Während sie beim Wegschauen wegrationalisiert wird und beim Wegschauen ein früh erworbenes Ausblenden der entsprechenden Wahrnehmung stattfindet, also auch hier die Angst nicht mehr unmittelbar spürbar ist, steht bei diesem Ausweichen die Angst im Mittelpunkt, ist sie handlungsleitend. Da Angst viel Energie und Aufmerksamkeit verbraucht scheint hier der psychische und körperliche Aufwand am größten zu sein – jedenfalls an der Oberfläche.

Ein Mann hatte ständig Angst, andere mit seiner Aggression zu zerstören. Sein Vater war jähzornig gewesen, hatte damit die gesamt Familie in Schrecken versetzt. Immer wenn dieser Mann einen aggressiven Impuls verspürte, sah er das Bild des zerstörerischen Vaters vor sich und befürchtete zu sein wie dieser und zog sich zurück.

Eine Frau vermied jeden Konflikt mit ihrem Partner, den sie als hoch dominant charakterisierte. Sie berichtete auch davon, von diesem schon ein paar Mal vergewaltigt worden zu sein, d.h. er habe Sexualität gegen ihren Willen durchgesetzt. Aus Angst ihn zu verlieren, hat sie die Konfrontation mit ihm vermieden und das ausgehalten. Gleichzeitig war die Angst permanent da, dass er das wieder tun könnte. 

  • Ungeschehen-Machen
    Hier höre ich Worte wie:  
    • Da war ja nichts“ oder
    • Das war gar nicht so schlimm“ oder
    • Das halte ich schon aus
      (umgangssprachlich wäre dies das Unter-den-Teppich-kehren – manche Teppiche liegen deshalb ziemlich erhöht)

Diese Variante ist dem Ausblenden sehr nah. Der Unterschied ist nur, dass das von außen als schlimm angesehene Ereignis bagatellisiert wird. Das geht so weit, dass es auch nicht mehr erinnert wird bzw. für unbedeutsam gehalten wird. Die einfachste Form davon ist, wenn jemand sagt: „Anderen geht es ja viel schlechter.“

In einer Paarsitzung wird eine Frau von ihrem Mann darauf aufmerksam gemacht, dass ihre Mutter sie immer erniedrigt habe und auch heute noch kein gutes Haar an ihr lasse. Sie entgegnet: „Das war schon immer so.“ Sie will das Thema wechseln, aber der Mann sagt: „Ich finde es kaum auszuhalten, dass du das so über dich ergehen lässt.“ Die Frau hat Tränen in den Augen und sagt: „Was soll ich denn machen?“ Das war in diesem Fall der Beginn der Aufarbeitung ihrer Leidensgeschichte.

  • Sich selbst schuldig fühlen
    Und wir denken oder sagen:  
    • Es muss an mir liegen
    • Ich habe es vermasselt und muss jetzt die Folgen tragen

Diese Wendung gibt es bei vielen Kindern. Wenn sie sich nicht erklären können, wie es zur Aggression eines Elternteils ihnen gegenüber gekommen ist, dann gehen sie davon aus, dass es an ihnen liegen muss. Das ist insbesondere dann stark ausgeprägt, wenn die Aggression als willkürlich erlebt wird.

Eine Frau wurde regelmäßig von Mutter und Großmutter heftiger Kritik und Abwertung unterzogen. Das war seit der Kindheit so und die Frau konnte sich dagegen nicht wehren. Um doch noch ein bisschen Einfluss zu haben auf das Geschehen und nicht nur willkürlich ausgeliefert zu sein, hat das Mädchen lieber gleich die Schuld übernommen. Auf diese Weise war das Ereignis der Willkür entzogen, denn es lag ja an ihr. So konnte sie auch etwas tun, nämlich sich bemühen, es nicht mehr dazu kommen zu lassen. Obwohl ihr das nicht wirklich gut gelang, ist sie bei dieser Strategie geblieben. So konnte sie am besten psychisch überleben.

In der Psychoanalyse wird das auch Identifikation mit dem Aggressor genannt.

Jetzt haben wir eine umfänglichere Analyse vor uns liegen.

Was ist denn jeweils zu tun, um diese Vermeidungsstrategien zu ändern?

In den oben geschilderten Fallgeschichten wurde mehrfach beschrieben, wie diese Konfliktvermeidungs-Muster entstanden sind. Die Quelle geht in der Regel auf die Kindheit zurück. Da lernen wir auch basale Muster von Konfliktverhalten, nämlich Konfliktstrategien. Sind die unangemessen oder dysfunktional und gehen zu Lasten der Schwächeren, meistens der Kinder, in vielen Fällen auch noch häufig der Frauen, dann kann kein angemessener Umgang mit Konflikten gelernt werden. In der Regel wird so eine Opferhaltung gezüchtet, die die Bewältigung von Konflikten ausschließt und nur Leiden erzeugt und damit Einschränkung von Lebensfreude bis hin zu körperlichen Erkrankungen. Häufig ist die Körperhaltung schon vom Opfersein gezeichnet.

Es ist in diesen Fällen sinnvoll, das Problem an der Wurzel zu packen, da wo es entstanden ist und die „unerhörte Geschichte“ unserer Klienten uns anzuhören, Verständnis aufzubringen für das Kind von damals, die teilweise hohen psychischen Belastungen bis hin zu traumatischen Belastungen zu bearbeiten und genau das Ausgeliefertsein zu unterbrechen. Auch gehört dazu, die Person darin zu stärken, dass ihre Wahrnehmung stimmt und einzelne dieser Belastungen auch mit Entkoppelungstechniken behandelt werden, so dass sie sich weniger leicht automatisiert durchsetzen.

Erst dann können diese Menschen anfangen, neue Wege zu suchen und zu gehen.
Dafür haben wir im ROMPC viel Technik und viel an Zugewandtheit zur Verfügung.

[i] Die folgende Aufzählung lässt sich auch verstehen als spezifische Anwendung von „Abwehrmechanismen“, die dafür sorgen sollen, dass wir uns vor Ereignissen schonen, von denen wir glauben, dass wir mit ihnen nicht umgehen können. Diese Mechanismen sind lebensgeschichtlich entstanden und dienen dem Schutz vor Überforderung in psychische rund sozialer Hinsicht.

[ii] Quelle für Graphik: Shepard-Tische – Wikipedia

[iii] Der Begriff ist mir schon lange suspekt, auch wenn er üblich ist. Denn Konflikte lassen sich nicht managen, sie fordern heraus auf der persönlichen Ebene und zeigen an, wo im Unternehmen es nicht rund läuft und wo Veränderung Not tut.

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