Angst

Auslöser und Wirkungen unserer Ängste


Ängste gehören zu unserer biologischen Anlage. Ohne Ängste wären wir nicht überlebensfähig. Sie haben die Funktion, uns mitzuteilen, wenn etwas gefährlich, bedrohlich, unheimlich ist, damit wir uns dann entsprechend vorsichtig in der Situation verhalten. Doch welche Auslöser gibt es für Ängste und mit welche Wirkungen gehen wir heute um?

Angriff, Flucht und Erstarrung

Biologisch gibt es automatisiert auslösbare Verhaltensmuster, wenn wir mit Angst reagieren: Angriff oder Flucht. Da wir biologisch zu den Herdentieren gehören und Fressfeinde erwarten müssen, gibt es für den Fall, dass wir weder angreifen noch fliehen können, das Muster der Erstarrung. Dieses wird eingenommen, um auf einen Moment zu warten, in dem wir angreifen oder fliehen können. Es ist also ein Übergangsverhalten. Das Wort Erstarrung gibt diesen Zustand nur ungenau wieder: Die Willkür-Muskulatur ist nicht zwangsläufig angespannt, sie kann auch ganz schlaff sein, um dem Fressfeind zu suggerieren, dass wir schon Tod sind und es keinen Sinn mehr macht, uns zu töten. Sobald wir wieder in Sicherheit sind oder glauben, es zu sein, löst sich die Schlaffheit und wir fangen an uns wieder zu bewegen z.B. mit starkem Zittern, das die Vitalfunktionen wieder aktiviert.

Biologische Reaktionen heute nicht mehr angemessen

Das ist doch wunderbar so eingerichtet. Das Dumme ist nur, dass diese fundamentale Biologie mit unserer Evolution nicht Schritt gehalten hat. Wir haben keine Fressfeinde mehr wie den Säbelzahntiger, den haben wir überlebt. Das Überlebensmuster ist aber erhalten geblieben und dehnt sich heutzutage auf viele minder schwere Gefährdungen aus, die objektiv nicht lebensbedrohlich sind. Wir reagieren aber, als wäre unser Leben bedroht. Das ist mit Frau S. passiert, von der im letzten Artikel die Rede war.

Da unser inneres Alarmsystem ein lernendes System ist, speichert es irgendwelche Erfahrungen, die wir als hoch bedrohlich erlebt haben. An sich ist das sinnvoll, weil je nach Lebensumwelt unterschiedliche Gefährdungen auftreten können. So sind und waren die Gefahren im Dschungel andere als die in der Arktis. Wenn aber unser Alarmsystem objektiv minder schwere Gefahren speichert, dann reagieren wir auf die, als ginge es um unser Leben. Und da in der Biologie das Überleben Vorrang hat vor dem Leben und das Alarmsystem in unserem Nervensystem optimal verdrahtet ist, setzt es sich immer gegenüber rationalen Überlegungen durch. In einer Panikattacke haben die kognitiven Strukturen nichts mehr zu melden: Die automatisierte Angstentwicklung nimmt ihren Lauf.

Nur Beruhigung kann helfen

Deshalb hilft es auch nicht, die betreffende Person zu ermahnen oder ihr zu sagen, dass es doch nicht so schlimm sei oder sie sich nicht so anstellen solle. Selbst wenn sie das irgendwie einsieht, ist die automatisierte Reaktion stärker. Ein Appell an Einsicht muss also versickern. D.h. wir können Menschen mit solchen Reaktionen nur ernst nehmen und Beruhigungsstrategien wählen. Da hilft eine beruhigende Stimme, egal was die sagt. Oder eine beruhigende Berührung oder tatsächlich eine Übernahme von Schutz für die ängstliche Person.

Reaktivierung von Erlebtem

Diese Vorgänge finden auch in Bezug auf soziale und gesellschaftliche Veränderungen statt. Jede Veränderung schafft Unsicherheiten. Wenn es zu viele Unsicherheiten gibt, dann können wir die nicht mehr gut verarbeiten und reagieren auch auf der sozialen Ebene mit Angst. Manche Angst ist berechtigt einfach deswegen, weil die Gefahr durch andere Menschen inzwischen größer ist als die durch die früheren Fressfeinde. Wenn wir etwas von dem Messerattentat in Mannheim mitbekommen haben, bei dem ein Polizist tödlich verletzt wurde, schürt das unsere Ängste vor unbekannten Feinden, die plötzlich aus dem Gebüsch oder sonst einem Versteck hervorschießen. Gegen die wir keine Mittel haben, uns zu wehren. Aber auch wenn wir bewaffnet sein sollten, mindert das nicht die Ängste, sondern erhöht die Gefahr, unbedacht, weil automatisiert, eine Gefahrenlage zu erkennen und mit dem Wehren zu beginnen. Die große Verbreitung von Schusswaffen in den USA hat die Ängste nicht kleiner gemacht.

Angst – auch ohne Bedrohung

Aber auch ohne solche Bedrohungen bauen wir Ängste auf, die uns den Alltag erschweren. Wenn wir z.B. die Phobien als eine Form sozialer Ängste betrachten, dann manifestieren die an sich nebensächlichen Aspekten von Situationen: Enge oder weite Räume, die Anwesenheit bestimmter Tiere, die Angst vor dem Urteil anderer, etc. Hier suchen Ängste nach einem Ausdruck, den wir uns eigentlich bewusst verboten haben. Bei Herrn K. ist es so, dass er nicht in öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sein kann, weil er Angst hat, ohnmächtig zu werden und damit hilflos und damit in der Öffentlichkeit auffallen könnte. Er hat eine solche Situation mal erlebt und die Kommentare der Passanten gehört, die diese Person für besoffen hielten oder nicht ihrer Sinne mächtig, die sich über die Person lustig machten. Die Folge dieser sozialen Angst war, dass er keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr benutzt hat, sie nicht benutzen konnte.

Identifikation von auslösenden Situationen

Wenn wir auslösende Situationen identifizieren können und damit die Ursachen der Ängste kennen, dann wird die Behandlung einfacher. Meistens ist der Weg dahin, diese Auslöser benennen zu können, der langwierigste. Für die Betroffenen ist es eine Erleichterung, wenn sie erfahren, dass sie nicht einfach nur etwas Unsinniges tun, sondern dass ein tieferer Sinn dahintersteckt. Dann ist es darüber hinaus möglich, den Gefahrenmelder in uns ein Stück weit zu desensibilisieren mit Hilfe von Entkoppelungstechniken. Diese sorgen dafür, dass unsere Hardware in unserem Gehirn nicht mehr so schnell und so stark Alarm schlagen muss.

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